Vintage Pencildress purple

„Hat mich denn die Welt vergessen?“ , fragte sich ein gewisser gepunkteter Stoff zum wiederholten Mal in diesem Jahr, während er aus seinem Regal in das trübe Oktoberwetter vor dem Fenster hinaus starrte. Es war jetzt schon drei Jahre her, dass er in dieses Fach gelegt worden war und noch immer hatte er sich nicht in ein Kleidungsstück verwandelt.

Doch dann geschah etwas, was das Leben des lila Punktestoffs für immer verändern sollte: Ich brauchte dringend ein neues Winterkleid und hatte eine Idee…

Meine Wenigkeit war in weitaus weniger trüber Stimmung als der Stoff, als die kalten Tage kamen. Strumpfhose, Kleid, Stiefel und Strickjacke sind nämlich eine meiner liebsten Outfit-Kombinationen und ich freue mich immer, wenn es kalt genug ist, sie wieder tragen zu können.

Als ich meinen Schrank also für die Wintersaison umräumte, stellte ich einen eklatanten Mangel an winterlichen Kleidern fest. Vor allem jene, die man gut mit vielen Schuhen und Stricksachen kombinieren kann, waren Mangelware. So entschied ich: Ein neues Winterkleid muss her. 

Der Punktestoff unterdessen, hatte noch keine Ahnung was ihm blühte.

Das Schnittmuster

Boatneck dress

Für dieses Kleid habe ich wieder einmal Schnitte von Gertie aka Gretchen Hirsch gemixt. Ich wollte mir das  „Boatneck Dress“ aus „Gertie sews jiffy Dresses“ nähen. Das Oberteil mit dem hohen Ausschnitt vorne und dem weiten hinten ist wunderschön, der Rockteil ist jedoch nicht so mein Ding. Er besteht einfach nur aus einem rechteckigen Stück Stoff, dass in der Taille an der Ansatzstelle der Abnäher in Falten gelegt wird. Ich fand das wenig vorteilhaft, da der Rock so vorne am Bauch aufträgt und über den Hüften nicht kurvig geformt ist, so dass er eher eine gerade Form als eine Bleistiftform hat.

 

Deswegen habe ich für mein Kleid den „Pencil Skirt“ aus „Gerties Ultimate Dressbook“ verwendet, ein schmal geschnittener Rockteil für Kleider mit Abnähern vorn und hinten und einem Gehschlitz an der rückwärtigen Mitte. Dieser Rock legt sich wunderbar um die Kurven und macht das Kleid dadurch wunderschön figurnah.

Das Oberteil habe ich in Größe 6 zugeschnitten. Dann habe ich ein Full Bust Adjustment gemacht, ähnlich wie bei meinem grauen Kleid vom letzten Jahr und die Abnäher nach unten versetzt. Auf dem Bild sieht man den Schnitt vom grauen Kleid über dem Schnittmuster vom Boatneck Dress. Die Taillenabnäher vorne und hinten habe ich auch von diesem Kleid übernommen, da sie schon sehr gut auf meine  Figur abgestimmt sind und die Taillenform des Wollkleids aus dem Dressbook und des Boatneck-Dress aus dem Dressbook sehr ähnlich sind. Der Rockteil aus dem Dressbook hat daher auch perfekt an das Boatneck-Dress gepasst.

Für den Rock habe ich beim Schnitt in der Taille Gr.6 beibehalten und über den Hüften auf irgendwas zwischen 8 und 10 erweitert, um mein Gesäß im Kleid unterzubringen.

Der Stoff

Als ich diesen Stoff 2019 beim Browsen auf Etsy entdeckte, war ich sofort verliebt: Lila UND Punkte – Besser geht’s ja nicht, oder? Daher bestellte ich direkt zwei Meter, ohne den geringsten Schimmer was ich daraus nähen wollte.

Als der Stoff dann ankam, wurden wir irgendwie nicht so richtig warm miteinander. Es ist ein sehr leichter Viskose-Strickstoff, allerdings kaum elastisch und auch nur in eine Richtung. Er hat zwar einen schönen Fall, ist aber ganz leicht durchscheinend und glänzend. Daher war nach dem ersten Kennenlernen erstmal der Ofen aus – Ich hatte keine Idee, was ich aus diesem Stoff nähen sollte und so landete er erstmal im Stoffschrank, wo er frustriert vor sich hin gammelte und auf bessere Zeiten warte. 

Die Verwandlung

Auf der Suche nach dem passenden Stoff für mein Winterkleid fanden meine Finger im Stoffschrank plötzlich etwas weiches. Erstaunt zog ich den gepunkteten Strickstoff heraus: Ich hatte vollkommen vergessen, wie weich er sich anfühlt! 

Als ich den Stoff aus dem Schrank nahm war er nichts als zwei Bahnen dünner Viskosestrickstoff. Er war noch kein Kleid aber er hatte Potenzial. Die zwei Meter reichten ganz knapp für mein Kleid. Und so machte ich mich daran, den Punktestoff in ein Kleidungsstück zu verwandeln.

Der Stoff war einfach zum Zuschneiden, das Markieren allerdings war gar nicht so einfach: Keiner meiner Stoffmarker war auf diesem Stoff sichtbar. Daher musste ich mich für die Abnäher wieder mal des Durchschlagens mit Heftfaden bedienen. Ich habe die Enden der Abnäher und die Spitze mit Faden markiert, dann den Abnäher gefaltet und beim Nähen eine kleine Kartonschablone als “Lineal” genutzt, damit alle Nähte auch schön gleichmäßig werden.

Futter oder nicht Futter?

Der Rest des Kleides war blitzschnell genäht. Nach reiflicher Überlegung und einer Diskussion in einer meiner Facebook-Nähgruppen habe ich mich entschieden, das Kleid nicht zu füttern, obwohl ich das ursprünglich geplant hatte. Auch wenn unter das Kleid auf jeden Fall was drunter muss, hatte ich doch Angst, dass der schöne Fall des Stoffs durch eine Futterseiden-Schicht verloren gehen würde. Daher habe ich lediglich den Ausschnitt mit einem Beleg verstürzt und trage nun untendrunter einfach immer ein Seiden-Unterkleid. Das hat unter anderem auch den charmanten Vorteil, dass ich das Kleid nicht so oft waschen muss.

Die Schleifen

Das süße Schleifendetail an den Armen habe ich aus dem Modell im Buch, auch dort sind die Ärmel mit kleinen Schleifchen dekoriert. Das gibt der doch eher schlichten Silhouette des Kleids etwas Niedliches und Feminines.

Fazit: Das perfekte Kleid

Seit ich das Kleid fertig genäht habe, durfte ich es sogar schon einmal ausführen. Es passt mir einfach wunderbar und sieht immer gut aus, egal ob elegant mit Pumps oder eher lässig mit Strickjacke und Boots. Außerdem passt mein Samtblazer, den ich im letzten Jahr genäht habe, perfekt darüber. Sollte ich irgendwann mal wieder schick ausgehen dürfen, werde ich diese Kombi auf jeden Fall tragen.

 

Wie bei den meisten Gertie-Schnitten stimmt auch hier die Qualität: Die Passform der einzelnen Teile ist sehr gut abgestimmt, vor allem auf Frauen mit etwas mehr Kurven. 

Und für die eiligen Leser ist hier die Zusammenfassung:

  • Schnittmuster: Kombination aus dem Boatneck Dress aus “Gertie sews jiffy dresses” und dem Pencil Skirt aus “Gertie’s ultimate Dressbook” von Gretchen Hirsch
  • Stoff: Viskose-Strickstoff, gekauft bei Etsy
  • Nähzeit: 4-5h
  • Würde ich es nochmal nähen: Auf jeden Fall 

Und ein kleiner Hinweis am Rande: Auf meinem Blog findet ihr keine Amazon-Affiliate Links. Falls Du Interesse an einem der Bücher von Gertie hast, frage doch mal bei deinem lokalen Buchhändler nach: Dank Buchpreisbindung kosten die Bücher dort das Selbe wie beim großen A und viele Buchhändler liefern inzwischen auch nach Hause. Es ist wichtig, dass unser Einzelhandel seine Diversität behält und nicht nur von großen Weltkonzernen diktiert wird. Dein Buchhändler und die deutsche Wirtschaft danken es Dir, langfristig. 🙂

Nachdem ich diese Botschaft mal wieder loswerden durfte, stürze ich mich nun Hals über Kopf ins nächste Nähprojekt: Das Weihnachtskleid 2021.

Bis dahin

Eure Lasercat

Verlinkt beim MeMadeMittwoch