Lamour Dress mit Drape- Schulterfreies Kleid von Charm Patterns

Ein schulterfreies Kleid nähen war lange eine der größten Herausforderungen für mich. Einfach weil ich dachte, ich könnte das sowieso nicht tragen. Nun aber habe ich mich getraut und ein absolutes Traumkleid aus lila Wildseide genäht.

Lamour Dress mit Shoulder Drape aus Wildseide

Es gibt wenige Schnittmuster, die so perfekt passen und so wunderschön sind wie das „Lamour Dress“ von Charm Patterns. Der Schnitt ist den „Hawaii Kleidern“  der Fünfziger und Sechziger Jahre nachempfunden, lässt sich aber so vielfältig umsetzen, dass daraus alles entstehen kann – Vom Strandoutfit bis zum Abendkleid. 

Mein erstes Lamour Dress war tatsächlich ein „Hawaii-Kleid“ – Allerdings nicht für mich. Für die Sängerin Betty Sue Miller habe ich es 2021 für ihre Sommer-Konzerte genäht.

Ich hätte nie geglaubt, dass ich mir mal ein schulterfreies Kleid nähen würde, aber ich habe es getan. Es ist trägerlos, es sitzt perfekt und es rutscht keinen Millimeter nach unten – Auch nach einem langen, festlichen Abend sitzt es noch perfekt.

Schon beim ersten Nähen war ich von der Schönheit, der Passform und der Qualität dieses Schnitts begeistert.

Schulterfrei? Nein Danke!

Betty Sue sieht in ihrem Lamour Dress wirklich toll aus. Sie hat die perfekte Figur für ein schulterfreies Kleid. Was mich selbst angeht, ich habe eigentlich immer Oberteile mit Trägern bevorzugt.

Trägerlose Kleider oder Oberteile aus dem Laden haben mir einfach nie richtig gepasst. In den elastischen „Tube Tops“, die in den 2000ern so modern waren, habe ich immer schon ausgesehen wie eine Wurst. Außerdem neigen die dazu, ständig nach unten zu rutschen. Und spätestens seit der Schwangerschaft verlangt mein Bindegewebe, dass ich unter jedem Oberteil einen gut sitzenden BH tragen muss. Und trägerlose BHs zieht es auch irgendwie immer von der Brust Richtung Taille, was spätestens nach ein paar Stunden richtig unbequem wird und auch nicht sehr gut aussieht.

Deswegen war die trägerlose Variante des Lamour Dress nichts für mich. Den Schnitt konnte ich aber trotzdem nicht so einfach in den Schrank räumen. Und so habe ich für mich eine Variante des Oberteils mit Trägern und ohne die Korsagenstäbe entwickelt, die ich für meinen Playsuit 2021 vernäht habe.

Doch irgendwo in meinem Hinterkopf schlummerte weiterhin die Idee, die erste Kleidvariante ohne Träger und mit dem asymetrischen Stola-Teil auch einmal für mich zu nähen.

Der Stoff meiner Träume

Es begab sich, dass ich im Januar durch puren Zufall auf der Durchreise ein Stoffgeschäft entdeckte, an dem ich natürlich nicht vorbeifahren konnte. In jenem Stoffladen in Riedlingen entdeckte ich dann den Stoff, in dem ich auf den ersten Blick MEIN schulterfreies Lamour Dress erkannte.

Um genau zu sein, handelt es sich um Polyester im Wildseiden-Look. Nicht hochwertig, nicht teuer, aber LILA und wunderschön! 💜💜💜

Das Schnittmuster – Gertie’s Lamour Dress

Das Lamour Dress ist aus dem Hause Charm Patterns, dem Label von Gertie, der bekanntesten Vintage-Schneiderin und Influencerin der Welt (behaupte ich mal). Das Schnittmuster kann man direkt dort als Download-Schnitt kaufen. Ich empfehle allerdings die Papiervariante, die man hier über PoppyRay Vintage auch in Deutschland erwerben kann. Der Papierschnitt kommt in einer sehr schön und hochwertig gestalteten Mappe mit einem tollen Anleitungs- und Inspirationsbüchlein. Er ist auf Seidenpapier gedruckt und lässt sich davon perfekt abpausen.

Das Genialste an den Schnitten von Charm Patterns ist, neben der hohen Akkurarität das Größen-System. Es gibt das Oberteil nämlich in unterschiedlichen Körbchengrößen. Bestimmt wird die Größe nicht wie sonst üblich durch den Brust-Umfang, sondern durch die Kombination von Taillen- Brust- und Überbrust-Weite. Dadurch deckt das Größenspektrum auch Körperformen jenseits des Standards ab und berücksichtigt ungewöhnlichere Größenverhältnisse in den Maßen. 

Für mich, die ich normale Schnittmuster IMMER im Brust- und Taillenbereich anpassen muss, weil bei mir das Verhältnis zwischen Überbrust-, Brust-, Taille und Schultern ziemlich vom Standard abweicht, ist das perfekt. Ich habe den Schnitt in Größe 6 mit der Körbchengröße DD abgepaust. Für den Rocktail habe ich Größe 8 genutzt und den in der Taille etwas schmaler gemacht.

Das Material

Neben meinem lila Traumstoff braucht es für das Lamour Dress noch so einiges an anderen Materialien.

  • Oberstoff, Kunstseide ca 3m
  • Futterstoff fürs Oberteil: Hier habe ich einen Rest lila Taft  verwendet
  • Innenfutter: Futterseide, ca. 1m
  • Bügeleinlage: Gewebe-Einlage, Schwarz, z.B. von Vlieseline
  • Reißverschluss: 50cm
  • Stahl-Spiralstäbe, 1cm
  • Tunnelband für die Stäbe
  • Endkappen oder Klebeband für die Stäbe
  • Festes Gummiband, 2cm Breit für den Taillenhalter
  • 2 Mal Haken und Augen oder Haken-Augen-Band für den Taillenhalter
  • Fransenborte für die Stola
  • 4 Druckknöpfe

Schulterfreies Kleid nähen – Mein erstes Mal

Das erste ist immer das Aufregenste – Zumindest wenn es um neue Schnittmuster geht. Als erstes habe ich allerdings erstmal ein Probeteil genäht, um den Sitz von Oberteil und die Länge zu prüfen. Das Probeteil habe ich zweilagig genäht, wie das richtige Kleid und die Korsagenstäbe mit dicken Kartonstreifen imitiert. 

Den Rockteil hatte ich schon für das Probeteil um gut 20cm gekürzt, weil mir das wadenlange Original nicht so gut gefallen hat und ich lieber Knielänge haben wollte. 

Anhand des Probeteils habe ich dann die Überbrustweite, also den oberen Rand des Korsagen-Oberteils und die Taille am Vorderteil noch etwas enger gemacht. Um die Brust herum und am Rücken hat das Oberteil auf Anhieb gut gepasst. Lediglich 2cm Länge habe ich dem Ganzen noch hinzugegeben.

Da ich den Schnitt ja bereits einmal genäht hatte, ging mir das Nähen sehr schnell von der Hand. Als erstes habe ich das Futter-Oberteil genäht und dann nochmal anprobiert, um die Passform zu prüfen.

Danach waren die Tunnelbänder für die Stäbe dran. Früher habe ich für Korsetts und Korsagen Schrägband für die Stäbe verwendet, bin aber inzwischen bei dem fertig doppelt liegenden Tunnelband hängen geblieben. Es ist dünn, aber trotzdem sehr stabil und schützt den Stoff des Futterteils zusätzlich noch vor dem Metall des Tabs.

Als Stäbe verwende ich Stahl-Spiralstäbe. Im letzten Jahr hatte ich mal Krinolineband experimentiert, aber es gibt einfach nichts besseres und haltbarerers für ein Corsagenoberteil als Stahlstäbe. Die zuzuschneiden erfordert etwas Körpereinsatz. Ich mache das mit einem großen Seitenschneider.

Der Oberstoff war übrigens fürchterlich fransig und fusselig, weswegen ich alle Kanten mit der Zackenschere versäubert habe. Auch wenn sie unsichtbar innen im Futter liegen, können sie so nicht ausfransen. Durch die vielen kleinen Zacken gab es zwar eine absolute Fusselexplosion in meinem Nähzimmer, aber es hat sich gelohnt. 

Nach dem Oberteil war der Rockteil dran. Durch die angeschnittene, geraffte Rüsche, die auch noch komplett mit einem Beleg verstürzt wird, sehen die zugeschnittenen Teile erstmal riesig aus. Zusammengenäht und gewendet, dann plötzlich auf einmal ganz kurz.

Hier kam dann auch direkt meine neue Kettelmaschine zum Einsatz. Im Januar hatte ich meine alte Singer Overlock Maschine gegen eine frisch restaurierte, voll funktionsfähige Viktoria Kettelmaschine aus den Siebziger Jahren getauscht. Ich werde in einem anderen Beitrag eine Lobeshymne auf diese Maschine schreiben, das würde den Rahmen dieser Geschichte sprengen. 😉

Zum Schluss entstand dann noch das „Drape“, für das ich einfach keine passende Übersetzung finde. Eigentlich ist es nur ein langer Stoffstreifen mit Fransen an einem Ende und einer Raffung am anderen. Das „Drape“ wird vorne mit ein paar Druckknöpfen am Kleid befestigt.

Es kann als Stola getragen werden oder als asymetrischer „Träger“, der dann wie ein Sarituch hinten am Rücken herunter hängt. 

Warum dieses Kleid an Ort und Stelle bleibt

Wenn sich jemand mit perfekt sitzenden Vintagekleidern auskennt, dann Gertie. Deswegen bringt dieser Schnitt auch direkt den ultimativen Trick für schulterfreie Corsagenkleider mit. Neben der perfekten Passform des Oberteils, ist für den perfekten Sitzen auch noch der „Waist Stay“ zuständig. Übersetzt ist es der „Taillenhalter“. Das ist nichts anderes als ein dickes, festes Band, das innen an der Taille ins Kleid genäht und hinten mit zwei Haken geschlossen wird. Das verhindert, dass das Korsagenoberteil beim Tragen mit der Zeit nach unten wandert.

Ich habe dem ein kleines Update verpasst, indem ich nicht wie angegeben ein Ripsband, sondern ein sehr festes Gummiband verwendet habe. Das Gummiband hat in der Weite etwa 1,5cm weniger als die Taillenweite des Kleides und sitzt daher sehr straff an meinem Körper. Durch den Gummi ist es aber trotzdem bequem und erlaubt mehr Bewegungsfreiheit als ein festes Baumwollband.

Resteverwertung: Haarblumen

Was wäre ein tolles Outfit ohne ein passendes Headpiece? Ich kann vielleicht keine schönen Frisuren machen, aber dafür tolle Haar-Accessoires. Aus dem Reststoff vom Futterstoff und dem lila Seidenstoff habe ich zwei große Haarblumen gemacht, die perfekt zu meinem Fundus an Blumespangen passen.

Lila Lamour Liebe

Als ich das Kleid im März in Berlin zur Oper trug, sprach mich ein junger Student an und fragte, woher ich dieses Kleid hätte. Als ich ihm sagte, dass ich es selbst genäht hatte, fragte er mich, wo ich Modedesign studiert hätte und bei welchem Label ich arbeite. Das hat mich unglaublich stolz und glücklich gemacht. 

Auch sonst passt dieses Kleid einfach so gut zu mir und verkörpert das, was meinen Stil im Moment ausmacht so perfekt, dass ich es am liebsten ständig tragen würde. 

Das Kleid lässt sich, wie hier auf dem Foto, ganz klassisch tragen, ist aber durchaus wandelbar. Für den Opernbesuch in Berlin hatte ich zu Doc Martens und Jeansblazer gestylt und das „Drape“ einfach mal als Schal um den Hals gewickelt. Leider habe ich von dem tollen Opernbesuch nur ein schlecht belichtetes Spiegelselfie, dafür aber eine wundervolle Erinnerung.

Lamour Dress Oper Berlin

Den Look mit dem Drape als Schal mag ich sehr gerne. Auch wenn der Schulterträger toll aussieht, fühle ich mich mit dem „Schal“ etwas weniger nackt obenrum. 🙂

Und voller Stolz verlinke ich mein neues Lieblingskleid heute beim MeMadeMittwoch. Ich wünsche Dir , liebe Leserin, einen wundervollen Start in den Mai und viele schöne, inspirierende und kreative Nähmomente.

Deine Lasercat