Die aktuelle Mode wimmelt ja von „saggy“, „baggy“, Jogginghosen und Schlabberpullis. Je mehr ich davon in der Modewelt im letzten Jahr sehen musste, desto mehr hat es mich modisch in die Vergangenheit verschlagen. Und so entstand, unter anderem dank Gertie’s Nähbücher – bei mir eine ganz neue Begeisterung für die Mode der Vierziger und Fünfzigerjahre. Taillierte Schnitte, Feminine Kleider, edle (nicht-elastische) Stoffe, alte Nähtechniken und hohe Schneiderkunst beim Anpassen dieser Stoffe auf den eigenen Körper. All das finde ich so faszinierend, dass ich natürlich auch irgendwann mal nach Original Nähanleitungen und Schnitten nähen wollte. Also begann ich, alte Nähbücher und Schnittmuster zu sammeln.

Ich nähe aktuell immer noch Vintage und immer wieder lerne ich was dazu. Schau‘ bald mal wieder rein um herauszufinden, was ich beim nächsten Vintage-Schnitt Neues gelernt habe!

In diesem Jahr bekam ich mehrere vollständige Ausgaben des Magazins „Beyer’s Handarbeit und Wäsche“ aus den Fünfzigerjahren als Leihgabe vom Fifty’s Museum, mit denen ich meine ersten Versuche mit „echten“ Vintage-Schnittmustern gewagt habe. Und was ich dabei entdeckt habe, liest Du jetzt:

1.      Die Hausfrau von früher konnte besser nähen als DU!

Ja, das ist höchstwahrscheinlich so. Außer du hast eine Schneiderausbildung absolviert. Die Nähanleitungen in den Magazinen sind kurz und knapp gehalten. Offensichtlich wusste damals jede Hausfrau genau Bescheid, in welche Richtung man Abnäher bügelt, wie man Nahtzugaben versäubert, welche Arten von Säumen es gibt und wie man Knopflöcher arbeitet.
Zudem konnte sie noch sticken, stricken, häkeln und klöppeln.  Sie hatte vielleicht kein abgeschlossenes Studium, keinen Führerschein und verdiente nur wenig, aber was das Handarbeiten anging, hatten die Frauen es damals wesentlich mehr drauf als wir heute nach 2 Jahren „Textiles Werken“ in der Grundschule.

Daher mein Tipp: Entweder Du hast bereits fundierte Nähkenntnisse, wenn Du dich an einen solchen Schnitt wags und/oder Du hast sehr gute Nachschlagewerke. Ganz Besonders empfehle ich an dieser Stelle die Nähbücher von Gertie, die sehr verständlich und in moderner Sprache die wichtigsten Nähtechniken für Vintage-Mode erklärt (Allerdings auf Englisch)

 

2.      Größenanpassung

Einen Schnitt auf die eigenen Maße anzupassen, ist zumindest in Beyers Handarbeiten eine Grundvorraussetzung. Die Schnittmuster kommen dort nicht in unterschiedlichen Größen. Genauer gesagt, sie kommen in gar keiner Größe. Beim Schnitt ist meist lediglich das Maß angegeben, von dem die Größe abhängig gemacht wird, z.B. „Brustumfang: 91cm) oder eine Größe, meist 40 oder 42.

Vorne im Arbeitsbogen befindet sich dann eine Größentabelle, mit deren Hilfe man den Umfang, aber auch die eigenen Maße einer Konfektionsgröße zuordnen kann. Aber eigentlich ist das für die Anpassung des Schnitts gar nicht mal so wichtig. Abgesehen davon: WHAT? Gr.42? O_O Das ist heute locker ne 38!

Größentabell Fünfziger Jahre

Direkt auf die Größentabelle folgt eine kurze und knackige Anleitung dazu, wie man die einzelnen Schnittteile dann auf die eigene Größe anpasst. Das bedeutet konkret:

  • Das Schnittteil selbst kommt immer in der Standardgröße. Das muss erstmal abgepaust und ausgeschnitten werden.
  • Dann geht’s ans Ausmessen und Abgleichen mit den eigenen Maßen. Besondere Schwierigkeit ist hier, die Mehrweite des Kleidungsstücks im Vergleich zum Körpermaß entsprechend zu berücksichtigen. Die kann man zumindest für die drei Grundmaße, Oberweite, Taille und Hüfte entdecken, indem man den Schnitt mit den Maßen in der Tabelle abgleich.
  • Dann geht es ans Basteln. Entsprechend der Grafik in der Anleitung muss dann jedes Schnittteil entsprechend erweitert oder verkleinert werden.

Ganz schön aufwendig! Ich habe das Glück, dass mir die Standardgröße von „Beyer’s Handarbeit und Wäsche“ weitestgehend passt, so dass ich abgesehen von der Länge kaum Anpassungen habe. Bei einer sehr viel größeren oder kleineren Größe muss man hier schon ein paar Stunden Mehraufwand einplanen.

 

Alte Materialien vs. Neue Materialien

In den Fünfzigerjahren fehlte es den meisten Hausfrauen, vor allem in Deutschland, an edlen und teuren Stoffen, Perlen, Borten und all den schönen Dekorationen, mit denen man Kleidung austatten kann. Deswegen mussten sie auf das zurückgreifen was eben da war und in den Nähmagazinen werden gerne auf besonders „günstige“ Materialien aus dieser Zeit empfohlen.