![Beitragsbild rosa Bluse](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/04/Blog_Postimage.jpg)
Alles aus Jersey?! Ein ungewohnter Satz für ein Nähmagazin aus den Fünfzigern. So sind doch die meisten Schnittmuster aus dieser Zeit auf Webstoffe wie Popeline, Chiffon, Satin oder Leinen ausgelegt. Deswegen musste ich diesen Schnitt aus einem so modern anmutenden Material unbedingt mal ausprobieren.
Jersey in den Fünfzigern?
Jersey ist aktuell der wohl beliebteste Stoff der Hobbyschneiderei. Er ist leicht zu nähen, leicht zu waschen, weitestgehend bügelfrei und kommt in hautfreundlicher Bio-Qualität. Das Internet ist voll von unterschiedlichsten Schnitten und Ideen zum Nähen mit Jersey. Das war allerdings nicht immer so.
Der Stoff selbst wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. Dabei wurden feine Wollfäden auf einer Maschine mit vielen kleinen Nadeln verstrickt. Anfangs trug man das Material höchstens als Unterwäsche, bis Coco Chanel ihn 1916 auf die Laufstege der Welt brachte und der Alltagsgarderobe zugänglich machte. Trotzdem sollte es noch einige Zeit dauern, bis jeder im Jersey-Shirt unterwegs war.
In den Vierziger und Fünfziger Jahren trug man den Jersey weitestgehend als Sportkleidung. In der eleganten Alltags- und Abendgarderobe war er eher selten zu sehen. Das lag auch daran, dass die meisten Frauen gut stricken konnten und neben ihren hand- oder maschinengestrickten Pullovern und Jacken keinen Bedarf für ein Jerseyshirt hatten.
Trotzdem war Jersey als Stoff am Markt und wurde zuweilen wohl auch gerne vernäht, wie hier in diesem Schnittmuster aus dem Günther Modenblatt 10/1956.
![Guenther Modenblatt Nähzeitschrift](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild1-1024x683.jpg)
Ein anderes Beispiel für einen tollen Jersey-Schnitt aus den Fünfzigern ist das „Joan“-Kleid, über das ich vor einiger Zeit hier mal geschrieben habe.
Wickelbluse nähen – Das Material
Um die Wickelbluse nähen zu können, habe ich folgendes gebraucht:
- 1,2m Jersey
- Jerseynadel für die Nähmaschine
- Kantenband oder Nahtband, ich habe das von Vlieseline benutzt
- Bügeleinlage
- Passendes Nähgarn
- Overlock-Garn
Das Schnittmuster
Wie gewohnt von solchen Magazinen kommt dieser Schnitt in nur einer Größe, der „40“. Nun sollte aber bedacht werden, dass die 40 der Fünfziger Jahre keineswegs einer heutigen 40 entsprochen hat. Zieht man die Schnittmustertabell zu Rate, entspricht das ungefähr einer heutigen Größe 36/38.
Warum diese Schnitte immer nur in einer Größe kamen, wie man sie ändern konnte und welche Vintage-Größe der eigenen modernen Größe entspricht, könnt ihr hier nachlesen.
![Schnittmuster von 1956](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild3-1024x683.jpg)
Der Schnitt besteht aus vier Teilen: Vorderteil, Rückenteil, Bindebändern und Zwickel. Laut Angabe im Magazin kommt der Schnitt mit 1,20m Stoff aus. Das stimmt auch ungefähr. Da mir der Schnitt aber sehr kurz erschien, habe ich an Saum und Ärmeln noch jeweils 4cm Länge dazu gegeben.
Alternative Schnittmuster für die Wickelbluse
Wie so oft bei solchen Vintage-Schnitten, ist der Originalschnitt nur schwer zu beschaffen. Deswegen habe ich hier für Dich einige moderne Schnittmuster in ähnlichem Stil verlinkt.
Stoff und Zuschnitt
Dank der angeschnittenen Ärmel ist der Schnitt recht einfach gehalten. Leider ist dadurch aber auch der Stoffverbrauch recht hoch. Da gerade das im Stoffbruch zugeschnittene Rückenteil recht viel Stoff verbraucht, ist das eher kein Projekt zur Resteverwertung.
![Teile zuschneiden](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild4-1024x683.jpg)
Abgesehen von den Abnähern und Faltenmarkierungen bringt der Schnitt nichts kniffliges mit sich und ist schnell abgepaust und zugeschnitten.
Vor dem Nähen werden erstmal alle Falten gebügelt und geheftet und dann kann es los gehen.
![Falten legen in Jersey](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild5-1024x683.jpg)
Mein erster Zwickel (Fail)
![Zwickel in Ärmel einnähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild8-1024x683.jpg)
Auch mir begegnen beim Nähen immer wieder neue Herausforderungen. In gewisser Weise suche ich die ja auch. Bei dieser Bluse war das eindeutig der Zwickel. Ein Zwickel ist ein rautenförmiges Stück Stoff, das unter den Achseln eingesetzt wird, um auch ohne Abnäher Bewegungsfreiheit am Oberkörper zu gewährleisten. Das sieht besonders bei angeschnittenen Ärmeln und Oberteilen im Kimono-Style sehr gut aus. Heutzutage ist diese Technik ziemlich aus der Mode gekommen. Ich habe diese Technik in der heutigen Mode bisher nur bei sehr dicken Wollmänteln gesehen. Ein Grund mehr, warum ich das unbedingt mal ausprobieren wollte.
Da das Magazin keinerlei Anleitung mitbringt wie das funktioniert, habe ich mir ein paar Videos und Blogs dazu angeschaut. Eigentlich sah das gar nicht so schwer aus.
![Mit einer alten Nähmaschine nähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild6-1024x683.jpg)
Doch leider stellte sich der Zwicken dann doch als ziemliche Herausforderung heraus. Ich wollte die Wickelbluse eigentlich komplett auf meiner alten Bernina Record nähen. Da die alte Maschine allerdings sehr zu wünschen übrig lässt, was Stofftransport und Nähfußdruck angeht, habe ich dann beim Zwickel aufgegeben. Ständig hat es mir den Stoff verzogen und nicht richtig transportiert. Also bin ich zu meiner modernen Bernina B480 gewechselt. An der habe ich dann versucht, den Zwickel einzunähen – Mit eher mittelmäßigem Erfolg. Nachdem ich ihn drei Mal rausgetrennt und wieder eingenäht habe, beschloss ich, mich mit dem mittelmäßigen Ergebnis abzufinden (Immerhin sieht man den Zwickel unter der Achsel ja gar nicht) und es beim nächsten Mal besser zu machen.
![Zwickel einnähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild9-1024x683.jpg)
Was ist ein „Formstreifen“?
Die Ausschnittkanten der Bluse werden laut Anleitung mit einem „Formstreifen“ versäubert. „Was soll denn das sein?“, fragte ich mich. Aus der modernen Schneiderei kenne ich „Formband“, „Schrägstreifen“ oder Nahtband. Aber all das passte nicht so richtig. Also habe ich das Internet konsultiert und in einer meiner Facebook-Nähgruppen Hilfe erhalten.
Als „Formstreifen“ bezeichnete man damals einen Beleg, also ein Stück Stoff, das rechts auf rechts an den Ausschnitt genäht und dann nach innen umgeschlagen wird. Bei modernen Schnitten kommt meistens ein eigenes Schnittmuster für den Beleg mit. Bei diesem hier war keins dabei – Offensichtlich war diese Technik der Hausfrau aus den Fifties so geläufig, dass kein eigenes Schnittmuster dafür notwendig war.
Also habe ich mir meinen Beleg selbst erstellt mithilfe des Schnitts für das Oberteil. Den habe ich dann mit Bügeleinlage verstärkt und an den Ausschnitt gesteppt. Um die Ecken sauber auszuformen, habe ich die Nahtzugabe abgeschnitten und die Spitze dann sauber gewendet.
![Kanten mit dem Dreieck ausformen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild10-1024x683.jpg)
Danach habe ich dann noch die Saum- und Ärmelkanten mit der Zwillingsnadel umgenäht.
![Seitennähte und Bänder annähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild11-1024x683.jpg)
Das Bindeband für die Wickelbluse
Zu guter Letzt kam dann noch das Bindeband an die Bluse. Bei dem habe ich die Nahtzugabe auf der Innenseite nach „innen“ gebügelt und es dann angesteppt. Den eingeschlagenen Teil habe ich dann von Hand auf der Naht festgenäht. So ist die Nahtzugabe innen direkt mit versäubert.
![Bindebänder der Wickelbluse annähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/02/Blog_Bild12-1024x683.jpg)
Fertig! Meine Vintage-Wickelbluse
Die Bluse war schnell genäht – Innerhalb von einem Nachmittag war alles fertig. Dank der Zwickel sitzt sie obenrum gut und bequem und kommt vorne ohne Abnäher aus. Das eine Bindeband vom unteren Teil wird durch eine Öffnung in der Seitennaht gezogen und dann hinten mit dem von der anderen Seite verknotet.
Mir gefällt an der Bluse vor allem der Ausschnitt mit den „Ecken“ am Halsausschnitt und der schöne Fall. Die Bluse ist bequem, waschbar und passt sowohl zu Vintagemode als auch zu ganz modernen Alltagsoutfit. Der einzige Nachteil für mich ist die Länge: Obwohl ich extra noch 4 cm dazugegeben habe, ist die Bluse doch insgesamt recht kurz geraten. Da sie bei mir fast bauchfrei ist, sieht sie zu Jeans nicht wirklich gut aus. Am besten macht sie sich über einem frühlingshaften Kleid oder einem hoch in der Taille sitzenden Rock.
Trotzdem bin ich von dem Schnitt total begeistert und möchte ihn auf jeden Fall nochmal nähen – Einfach nur, weil ich das mit dem Zwickel meistern möchte. Beim nächsten Mal werde ich dem Ganzen dann auch noch mehr zusätzliche Länge hinzufügen.
![Rosa Wickelbluse nähen](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/04/Blog_Bild13-1024x683.jpg)
![Wickelbluse von hinten aus Jersey](https://lasercat.fashion/wp-content/uploads/2023/04/Blog_Bild12-1024x683.jpg)
Bis dahin schicke ich euch schonmal ein paar Vorfrühlingsgefühle
Eure Lasercat
Verlinkt beim MeMadeMittwoch
[…] Vintage-Schnitt von 1956 entstanden. Wie ich das genäht habe, erfahrt ihr hier im Beitrag auf meinem Blog oder in meinem […]
Wo bekomme ich den Schnitt her
Hallo,
dieser Schnitt ist leider nur schwer zu finden, da er aus einem seltenen Nähmagazin von 1956 stammt. Aber schau mal oben im Beitrag, da habe ich einige ähnliche Schnitte verlinkt, die Du dort direkt auch kaufen bzw. herunterladen kannst.
Liebe Grüße
Theresia
Eine sehr sehr schöne Bluse. Ich bin auch vom Ausschnitt begeistert. Danke für den schönen Beitrag mit Mehrwert. Bei dir lernt man immer wieder was dazu.
LG Miriam
Diese Zwickel sind mir bisher nur an alten Hemden und Bettjäckchen aus dem übernommenen Fundus der Großeltern begegnet, sie tragen sich tatsächlich angenehm. Selbst eingenäht habe ich noch keinen. Bei deiner Wickelbluse gefällt mir besonders der Ausschnitt mit der Ecke, die macht die Bluse nochmal besonders. Ein schönes Teil ist entstanden. LG heike
Hallo Heike,
lieben Dank für Deinen Kommentar. Ich habe die Bluse jetzt ein paar Mal getragen und finde sie so super bequem und elegant… Ich habe mich allerdings bisher nur getraut sie von Hand zu waschen, damit der Ausschnitt sich nicht verzieht. Ich werde demnächst mal einen Versuch in der Waschmaschine wagen.
LG
Theresia
Ich finde deine Ausführungen zum historischen Nähen sehr interessant. Ich dachte immer, man kannte noch gar keinen Jersey. Jetzt stellt sich mir die Frage, mit welchem Stich hat man damals genäht. Ob es damals schon extra Stiche für elastische Stoffe gab?
Das Shirt bzw die Bluse (ist wohl der Begriff, der besser in die Zeit paßt) steht dir übrigens sehr gut.
LG Bella
Hallo Bella,
Mitte der Fünfziger gab es schon die ersten Nähmaschinen mit Zickzackstich. Meine Pfaff 6 von 1960 kann auch schon Zickzack. Allerdings ist der nicht wirklich so fest und haltbar wie bei den modernen Maschinen. Meine Oma hat diesen Stich nur fürs Annähen von Gummibändern benutzt. Die Bluse selbst habe ich komplett mit Geradstich genäht. Lediglich für den Saum habe ich die Zwillingsnadel benutzt, damit entsteht eine leicht elastische Naht. Meine alte Maschine kann auch Zwillingsnadel, die habe ich dafür aber nicht verwendet. Da der Jersey sich ja dehnt, sind elastische Nähte hier nicht notwendig. Ich nähe übrigens auch meine Jersey-Tshirts meist mit Geradstich, weil ich es mag wenn die Nähte schön glatt sind und ich die Nahtzugabe z.b. an Schultern ordentlich nach hinten bügeln kann.
LG
Theresia
Danke für die Erklärung.
Ein sehr schönes Shirt, perfekt zu ausgestellten Röcken! Ich finde alle Schnitte interessant die auf angeschnittene Ärmel setzen – kann mir bisher nicht vorstellen, dass dies im Tragekomfort einem normalen Arm gleicht. Was ist Deine Erfahrung? LG Kuestensocke
Für mich war es auch das erste Mal, dass ich ein Oberteil mit langen, angeschnittenen Ärmeln genäht habe. Der Tragekomfort ist echt erstaunlich! Der Ärmel hat hinten eine kleine Falte, so dass er eigentlich am Oberarm und den Schultern recht weit ist. Durch den Zwickel hat man genug Bewegungsfreiheit. Was ich besonders toll finde ist, dass der Armausschnitt nicht so eng sitzen muss, damit das Oberteil im Brustbereich keine ungewollten Falten wirft. Das ist zwar auch der Wickelform geschuldet, aber insgesamt finde ich die Ärmel echt super. Nur der Zwickel ist knifflig zu nähen und durch die angeschnittenen Ärmel ist der Stoffverbrauch recht hoch. Das ist für mich aber auch der einzige Nachteil.
LG
Theresia aka Lasercat
Ich finde es so toll, dass du dich so erfolgreich an den alten Vintage Schnitten versuchst! Ich blättere diese Zeitungen gerne durch – aber wirklich was daraus zu nähen, erscheint mir immer eine Nummer zu hoch. Dein Oberteil ist wunderschön geworden, die Farbwahl ist toll und steht dir zudem fantastisch.
Wirklich ein Schnittmuster, das sich von den heutigen Wickelblusen deutlch abhebt, sehr schön geworden, lg Anja
Mit Vergnügen habe ich Deinen ausführlichen Beitrag über Deine schöne Wickelbluse gelesen. Toll, was man so alles nebenbei erfährt. Diese Armzwickel sind mir bisher auch noch nicht begegnet. Ich finde das Oberteil ganz zauberhaft. Die Farbe und der Stil passen ganz wunderbar zu Dir.
Lieben Dank fürs Lesen! Schön dass mein Text dir gefällt und danke für das Kompliment! Es ist mein Wunsch, mit meinem Blog nicht nur mit meinen Nähsachen anzugeben, sondern auch Wissen und Inspiration für andere bereitzustellen und weiterzugeben.
Die Ecken am Hals machen hier wirklich den Unterschied, dadurch mutet die Jacke schicker an und hebt sich positiv ab.
Grüße, Tina (die noch nie einen Zwickel eingenäht hat)
Lieben Dank für Deinen Kommentar! Es gibt immer ein erstes Mal! Auch wenn der Zwickel wirklich zwickelig zum Einnähen ist, die Passform und die Bewegungsfreiheit an den Ärmeln ist super 🙂