Bluse nähen aus grünem Crepe de Chine

Selbst wenn ich einen modernen Schnitt nähe, bleibe ich doch irgendwie in der Vergangenheit. Denn nicht der Schnitt, sondern der Stoff hat bei diesem Projekt eine ganz besondere Geschichte. Und die möchte ich Euch in diesem Blogbeitrag erzählen, zusammen mit vielen tollen Tipps, um aus dem fantastischen Naturmaterial Seide eine Bluse nähen zu können. 

Ein ungewöhnlicher Dachbodenfund

Hier auf meinem Blog findet meine Mutter immer wieder Erwähnung, wenn es um meine Näharbeiten geht. Auch wenn sie bereits vor zehn Jahren verstorben ist, lebt in meinem Schaffen ein Teil ihrer Leidenschaft für das Nähen weiter. Sie war eigentlich Mathematikerin, mit einem außergewöhnlichen Talent für Handarbeiten. Sie konnte nicht nur nähen, sondern auch stricken, sticken, häkeln, Seide bemalen und den Zauberwürfel in fünf Minuten lösen. Dementsprechend groß war ihr Fundus an Material. Ihre Sammlung von Stoffen, Wolle, Stickgarn und sonstigem Kreativzubehör füllte einen halben Dachboden. Auch heute, zehn Jahre nach ihrem Tod, finde ich dort immer wieder wunderschöne Dinge.

Als ich vor einigen Jahren einmal wieder auf dem Dachboden ein wenig Ordnung schaffen wollte, fiel mir dieser Stoff in die Hände – Besser gesagt: Er floss durch meine Hände. Denn es handelt sich um echte Seide.

Denn der Stoff dürfte etwa zehn Jahre älter sein als ich. Er hat seinen 40. Geburtstag also schon vor einigen Jahren gefeiert. „40 Jahre?!“, ging es mir gerade durch den Kopf. Wie kann ein so vergängliches Material wie ein Stoff so lange halten?

Seide ist eines der haltbarsten Naturmaterialien, sie ist nicht vegan, aber dafür nahezu unvergänglich. Einzig Hitze, zu viel UV-Strahlung oder Chemikalien können der Seide etwas anhaben. Wenn Du mehr über dieses faszinierende Material erfahren willst, findest du hier und hier mehr Infos darüber.

Was ist denn jetzt eigentlich Maigrün?

In meiner Erinnerung ist alles, was meine Mutter sie mit ihren Händen geschaffen hat, bis auf den letzten Millimeter perfekt. Und so hat sie auch bei der Auswahl ihres Materials immer auf höchste Qualität geachtet. Nur bei der Farbwahl hatten wir einen vollkommen unterschiedlichen Geschmack.

Auf den ersten Blick hätte ich diese Farbe als ein typisches „Siebzigerjahre“-Grün bezeichnet. Im Tageslicht ist der Farbton aber heller und durch die weiche, matte Oberfläche des Stoffs changierend im Ton. Der RAL-Farbton, der dieser Stofffarbe noch am nächsten kommt, ist das sogenannte „Maigrün“.

Bildquelle

Knallige Farben sind ja eigentlich überhaupt nicht mein Stil. Doch mich ließen dieser wundervolle, changierende Stoff und dieser ungewöhnliche Farbton nicht mehr los. Da musste ich einfach was draus machen.

Eigentlich war es gar kein „Stoff“

Was ich da auf dem Dachboden fand, war keine Stoffbahn, es war ein halbgenähter Hosenanzug. Meine Mutter hatte offenbar vorgehabt, diesen Traumstoff in einem damals angesagten Zweiteiler zu verwandeln, hatte aber offenbar schon ganz zu Anfang aufgegeben. Was übrig war, waren zwei zugeschnittene Hosenbeine, sowie eine an den Seitennähten zusammengenähte Jacke mit nur einem Ärmel. Von den Stoffresten fehlte jede Spur.

Daher war nicht nur das Material eine neue Herausforderung für mich, sondern auch die Frage: Was kann man daraus noch machen? 

Das Schnittmuster – Bluse nähen nach Fashion Style 12/2017

Zu Anfangs fand ich kein passendes Schnittmuster für diesen Stoff. Doch dann begegnete mir das Maigrün erneut – Als ich durch die Fashion Style 12 aus dem Jahre 2017 blätterte. 

Quelle: Fashion Style Magazin Nr.12 2017
Quelle: Fashion Style Magazin 12 2017

Die Bluse mit den Schleifen am Hals und Ärmel gefiel mir auf Anhieb und auch der Stoffverbrauch passte fast perfekt zu meinen Stoffteilen. Nur die Rückseite musste ich mit einer Mittelnaht nähen, für einen Stoffbruch hat der Stoff leider nicht gereicht.

Das Nähen der Bluse selbst hat sich über einige Zeit hin gezogen. Um ehrlich zu sein, sogar über mehrere Jahre. Bereits 2018 habe ich den Stoff gefunden und den Schnitt abgepaust, um dann immer wieder zwischen meinen anderen Projekten an der Bluse zu arbeiten. Dazwischen habe ich dann auch festgestellt, dass der Stoff für die Bindebänder gar nicht reicht. Also habe ich Kragen und Bindebänder aus einer alten Seidenhose zugeshcnitten. Leider habe ich beim Nähen selbst verpasst, gute Bilder zu machen, oder die Bilder sind verloren gegangen. Daher habe ich vom eigentlichen Schaffensprozess gar kein Bildmaterial zu bieten.  

Würde ich diesen Schnitt nochmal nähen?

Den Schnitt selbst kann allerdings nur bedingt empfehlen. Ich habe ihn ohne Änderungen in Gr.38 genäht. Zwar ist die Passform okay, aber die Bindebänder für die Ärmel sind im Schnitt viel zu kurz bemessen. Ich habe es damit jedenfalls nicht geschafft, schöne Schleifchen zu binden. Am Ende habe ich sie dann einfach mit einem Stück Garn zu einem Schleifchen zusammengenäht und dann mit einem Knopf verziert.

Einige Zeit lang mochte ich die Schnitte aus der Fashion Style total, doch inzwischen habe ich unter anderem durch meine Sammlung an Vintage-Schnitten das Interesse daran verloren. Die Schnitte der Fashion Style sind oft nicht sehr hochwertig gearbeitet, was bedeutet, dass Schnitteile manchmal nicht zusammenpassen und die Größen der Schnitte nicht der Größentabelle entsprechen. Außerdem sind die Modelle meist auf „schnell und einfach“ ausgelegt und lassen dafür an Qualität und Langlebigkeit zu wünschen übrig, zum Beispiel wenn keine Bügeleinlage verwendet wird oder Kanten unsauber verarbeitet werden. Deshalb werde ich diesen Schnitt eher nicht nochmal nähen.

Bluse nähen aus Seide – Meine Tipps

Auch wenn ich wenig Bilder habe, möchte ich Dir trotzdem nich vorenthalten, was ich hier bei meinem ersten Nähprojekt mit echter Seide gelernt habe:

  • Größte Herausforderung: Die Kanten versäubern. 
    Der Stoff ist so fein und leicht, dass die Overlock-Naht wulstig erscheint. Beim Bügeln muss ich „unter“ die Nahtzugaben gehen, damit sie sich nicht auf den Oberstoff durchdrücken. Hätte ich mehr Stoff gehabt, hätte ich „französische Nähte“ genutzt, so wie bei meiner Chiffon-Wickelbluse hier. Dadurch wird die Nahtzugabe in der Naht eingeschlossen und ist unsichtbar.
  • Die richtige Nadel
    Der superfeine Stoff zieht gerne Fäden und wird durch eine stumpfe oder zu dicke Nadel beim Nähen zerstört. Deswegen empfehle ich eine ganz feine Allzwecknadel (60 oder 70) oder eine Microtexnadel in dieser Stärke. Wichtig ist eine neue Nadel, die noch komplett scharf ist. 
  • Das richtige Garn
    Die Nadel kann noch so fein sein. Ist das Garn zu dick, hinterlässt es trotzdem „Löcher“ im Stoff oder die Nähte drücken sich durch. Ich hatte das Glück, auf dem Dachboden auch direkt das passende Garn zum Stoff zu finden, klugerweise hatte meine Mutter es direkt mit dem Stoff in eine Tüte gepackt. Für Seidenstoff empfielt sich am besten auch feines Seidengarn
  • Vorsicht an der Nähmaschine!
    Ich habe es schon mehrfach geschrieben: Dieser Stoff ist super empfindlich! Und weil er so leicht ist, werden Kanten auch gerne mal in die Nähmaschine gezogen. Ich habe das gelöst, indem ich den Nähfußdruck ganz leicht verringert und den Obertransport aktiviert habe. Außerdem habe ich, wenn möglich, nie direkt an einer Kante angefangen zu nähen.

Es grünt der Mai – Und das schon im März!

Maigrün – Das passt doch wunderbar zum erwachenden Frühling. Hier in der Pfalz blühen bereits die ersten Blumen und auch die Bäume tragen schon grüne Knospen. Jedes Jahr erneuert sich nicht nur die Natur, auch ich erfinde mich immer wieder neu. Wer hätte gedacht, dass ich mal so eine knallige Farbe tragen würde?! 

Lange lief diese Bluse „nebenbei“, aber als mir in diesem Monat die Farbe mal wieder ins Auge sprang entschied ich spontan, sie endlich fertig zu machen und anzuziehen. 

Seide ist ein ganz unglaubliches Material. Sie ist so weich und leicht, man schwitzt darin nicht und sie fühlt sich toll auf der Haut an. Einziger Nachteil ist tatsächlich der Preis. Guter Seidenstoff aus nachhaltiger Produktion kostet zwischen 40 und 80€ pro Meter. Hier habe ich durch Zufall einen Crepe de Chine aus Seide in fast derselben Farbe gefunden mit einem stolzen Preis von 80€/m. Das ist dann doch eher ein Material für ganz besondere Teile und eher nichts für Alltagskleidung. Doch auch im Alltag kann man sich mal schick machen und so habe ich die neue Bluse direkt zum Tee ausgeführt.

Der schwarze Stoff stammt übrigens von einer Seidenhose meiner Schwiegermutter, die diese nie getragen hat. Ich habe also unbewusst Nachlass von Mutter und Schwiegermutter in einem Nähprojekt vereint. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich das gut oder gruselig finde. Am Ende ist es doch aber immer wieder schön, solch „alten“ Dingen ein neues Darsein zu schenken und aus dem, was die Generation vor mir hinterlassen hat, etwas zu machen. 

Bis zum nächsten Mal

Eure Lasercat

Die Fotos entstanden übrigens im Café Schwarze Katze

Verlinkt beim MeMadeMittwoch

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