Hier kommt ein ganz besonderes Kleid – Genäht als Anfängerprojekt vor 13 Jahren, drei Jahre gerne getragen, Schrankleiche für 10 Jahre und jetzt wieder ausgepackt und aufbereitet als neues Lieblingskleid. Hier ist also mein erstes größeres Refashioning-Projekt.

Ganz hinten in meinem Schrank steht meine UFO-Kiste (Unfinished Objects). Darin finden sich alle möglichen selbstgenähten Kleidungsstücke aus den vergangenen 18 Jahren. Einige sind fertig, einige unfertig, andere kaputt. Als ich diese Kiste durchgesehen habe, fiel mir dieses rot-gestreifte Empirekleid in die Hände – Ein absolutes Anfängerprojekt von mir. 

2007 ist das Kleid entstanden und ich habe es damals geliebt und oft getragen. Allerdings haben mir Stil und Farbe dann irgendwann nicht mehr gefallen und das Kleid hing lange im Schrank. Jahre später landete es dann in der UFO-Kiste, weil ich es für untragbar befand. Das Innenleben des Kleids sah vollkommen chaotisch aus, der Reißverschluss war falsch eingesetzt und der Ausschnitt hinten schief. Da ich inzwischen besser nähen konnte, waren auch meine Ansprüche an die Kleider gestiegen. 

Ich hatte mir also schon vor zehn Jahren vorgenommen, dieses Kleid mal zu „renovieren“ – Und es dann nie gemacht. Bis heute.

Rot gestreiftes Empirekleid im Look

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt derzeit die ganze Welt. Die Menschen kaufen wieder mehr Bio und regional, man versucht auf Plastik zu verzichten und minimalistischer zu leben. Der Kleiderschrank kommt da aber oft zum Schluss. Immer noch läuft der Handel mit neuer Billig-Kleidung, die nach kurzer Tragzeit in den Müll wandert oder in die Altkleidersammlung. Wusstet ihr, dass selbst die lokalen Hilfsorganisationen derart gigantische Mengen an Kleiderspenden erhalten, dass auch sie das meiste wegwerfen oder an Verwertungsfirmen verkaufen? Eine Kleiderspende ist eine tolle Sache, aber auch damit hast Du nicht unbedingt für mehr Nachhaltigkeit gesorgt. Es gibt allerdings noch eine andere Möglichkeit, alte Kleidung zu nutzen – Indem Du sie Dir einfach wieder tragbar machst! Dieser Trend nennt sich „Upcycling“ oder „Refashioning“.

Upcycling – Was ist das?

Ich möchte mich in Zukunft hier auf meinem Blog stärker dem Thema Upcycling widmen. Warum?! Durch Covid-19 und die damit verbundenen Regelungen wie das Wegfallen von Festivals und Konzerten, das Tragen von Masken beim Einkaufen oder die aktuelle Schließung der Gaststätten, gibt es auch nicht mehr viele Gelegenheiten sich schick zu machen. Meine hübschen Kleidchen, Röcke und High Heels haben den Großteil des Jahres im Schrank verbracht. Dieser Anlass hat mir den Anstoß gegeben, selbst über meinen Kleider-Konsum nachzudenken und herauszufinden, was ich eigentlich wirklich brauche – Und was nicht.

Aufgrund von HomeOffice und Elternzeit war ich außerdem viel zu Hause im letzten Jahr und habe meinen Kleiderschrank gründlich ausgemistet. Kleidung die mir nie richtig gepasst hat oder jetzt nicht mehr passt habe ich direkt verkauft oder gespendet. Abgetragene, verwaschene oder kaputte Kleidung habe ich entweder zu Putzlappen oder Flicken verarbeitet oder eben entsorgt. Übrig blieb aber dennoch ein großer Stapel mit Sachen von denen ich mich nicht trennen konnte, obwohl ich sie gar nicht trage. Also habe ich entschieden, den Rest des Jahres nur noch wenig Neues zu nähen und diese alten Kleidungsstücke statt dessen wieder tragbar zu machen.

„Upcycling“, im Englischen oft auch „Refashion“ genannt, bedeutet das Wieder-Aufbereiten alter Kleidung, d.h. das „Wieder tragbar machen“. Es gibt viele verschiedene Varianten, wie man Kleidungsstücke upcyceln kann:

  • reparieren (bei kaputter Kleidung)
  • Größe ändern (Falls zu groß oder zu klein)
  • Etwas Neues daraus nähen, z.b. ein neues Kleidungsstück aus mehreren alten
  • Etwas Anderes daraus machen, z.B. eine Tragetasche oder eine Mütze

Beim „Upcycling“ geht es eher ums Reparieren und Abändern um dem Kleidungsstück seine Qualität zurückzugeben oder ihm überhaupt erst Qualität zu geben. Beim „Refashioning“ geht es darum, aus alten, unmodernen oder schlecht sitzenden Kleidungsstücken etwas völlig Neues, Modernes und Tragbares zu zaubern. Viele Ideen, wie man Kleidung aufbereiten oder ändern kann, findest Du auf meinem Pinterest-Board zu diesem Thema.

 

Das Kleid

Lange habe ich das Kleid nicht getragen… Erst hat mir die Farbe nicht mehr gefallen, dann habe ich um die Hüfte herum zugenommen und fand es unvorteilhaft. Lange hatte ich es einfach vergessen. Dennoch habe ich den Schnitt immer geliebt und viel Herzblut und dieses Kleid gesteckt – Es ist ein echtes Lieblingsstück.

Das Schnittmuster: Easy Fashion H/W 2006

Ich habe dieses Kleid 2007 genäht, nach einem Schnitt aus der Easy Fashion H/W 2006. Ich hatte diesen Schnitt im Heft entdeckt und wollte ihn unbedingt nähen.  Es ist ein Empirekleid, mit hoher, betonter Taille und eckigem Ausschnitt. Das Oberteil wird über Abnäher an die Rundungen angepasst. Dann kommt ein Band in der Taille und ein Rock mit Kellerfalten. Die halblangen Ärmel sind an den Schultern eingereiht und am Ärmelsaum mit einem Gummiband gerafft. Dadurch entsteht die tolle Puffärmelform. Jetzt – 2020 – Ist dieser Schnitt wieder total angesagt. Puffärmel sind ja bereits seit einem Jahr wieder total im Trend und diesen Sommer hat es auch der eckige Ausschnitt wieder in die Geschäfte geschafft. Einziger Unterschied zur aktuellen Mode ist die Länge – Derzeit trägt man Kleider ja entweder „midi“ also wadenlang oder „mini“, also nur bis knapp über dem Po. Mir selbst steht das beides nicht, deswegen bin ich über die Knielänge des Kleids sehr glücklich.

Empirekleid Burda Easy Fashion

Habt ihr gewusst, dass in der Easy Fashion vor 2010 noch „richtige“ Schnitte drin waren? Damals waren diese Magazine wesentlich besser aufbereitet als heute – Es ging wirklich darum, anspruchsvolle Schnitte einfacher zu machen und in gut beschriebenen, bebilderten Anleitungen das Nähen zu erklären. Heute finden sich in der Easy Fashion leider nur noch „Schnitte“, die den Namen eigentlich nicht verdienen, weil man für diese Nähprojekte eigentlich gar keinen Schnitt bräuchte.

Der Stoff für das Kleid ist ein rot-schwarz gestreifter Baumwollstoff, den ich beim Stoffbasar in Ravensburg im Ausverkauf ergattert habe. Eigentlich ist es ein wirklich schöner Stoff, er ist weich und hat einen schönen, leichten Fall. Die schwarzen Streifen glänzen leicht im Licht und geben der Oberfläche einen edlen Schimmer.

Nähskills Level 1 – Nahtzugaben & Reißverschlüsse

Damals war ich mit meinen Nähskills noch ganz am Anfang. Ich habe die Teile so zugeschnitten, wie sie meiner Meinung nach am besten auf den Stoff passen. Den Fadenlauf habe ich weitestgehend ignoriert. Es ist ein Wunder, dass bei diesem Kleid die Linien des Musters so gut aufeinander passen und dass es so schön fällt. Vermutlich habe ich den richtigen Fadenlauf durch Zufall eben erwischt. Genäht habe ich damals mit der alten Pfaff 1019 meiner Mutter, eine Overlock-Maschine hatte ich noch nicht.

Meine Mutter hatte mir beigebracht, Nähte mit einem groben Zickzackstich zu versäubern. Ich habe das mit 17 natürlich nicht so genau genommen. Wie man auf dem Bild sehr gut sieht – Gar nicht genau. Die Seitennähte habe ich wohl versucht, mit Zickzackstich zu versäubern… Weil ich kein Geld hatte und gutes Nähgarn teuer war, habe ich innen irgendwelche alten Garnreste in einer komplett anderen Farbe zum Versäubern der Naht verwendet. Was mehr schlecht als recht gelungen ist. Die Nahtzugaben sind irgendwie zusammengezogen, zwischendrin habe ich wohl mit den Stichlängen experimentiert und die Enden der Nahtzugaben sind schon lange ausgefranst.  Bei den restlichen Nähten hatte ich auf das Versäubern ganz verzichtet – Vermutlich dachte ich, dank der Vlieseline untendrunter würde das auch so halten.

Schlecht versäuberte NahtzugabenReißverschlüsse waren damals für mich ein Graus. Ich habe es damals einfach nicht hinbekommen, einen normalen Reißverschluss ordentlich einzunähen. Am Ende war nach oben oder unten hin immer alles verschoben. So war es natürlich auch bei diesem Kleid. Weil ich damals sehr ungeduldig war, habe ich den Reißverschluss einfach oben abgeschnitten und es war mir egal, ob der Ausschnitt hinten schief war. Dieser Perfektionismus den ich heute an den Tag lege, kam bei mir erst viel später im Leben.

Aus heutiger Sicht war das Kleid so wie es war nicht mehr tragbar. Der schiefe Ausschnitt und der verzogene Reißverschluss hinten, die ausgefransten Säume innen und dann noch ein kaputtes Gummiband am einen Ärmel machten es für mich unmöglich anzuziehen. Daher habe ich mich daran gemacht, das Kleid zu reparieren und meine Nähfehler von damals zu korrigieren.

Kleid upcyceln Schritt 1: Auftrennen

Nahtzugaben auftrennen

Als erstes musste ich etwas Zeit investieren. Ich habe erstmal den Reißverschluss rausgetrennt. Dann habe ich die Zickzackstich-Nähte auf den Nahtzugaben aufgetrennt. Um da überall ran zu kommen, musste ich auch den Saum auftrennen, obwohl der ausnahmsweise sogar sehr ordentlich gearbeitet war. Den Saum hatte ich damals von Hand mit Blindstich umgenäht.

Kleid Upcycling Schritt 2: Nahtzugaben nachträglich versäubern

An dieser Stelle musste ich kreativ werden. Nahtzugaben „nachträglich“ zu versäubern, also wenn die Nähte des Kleidungsstücks, welche die Nahtzugabe einschließen sollten, alle geschlossen sind, ist sicher nicht die höchste Form der Schneiderkunst. Es ist auch gar nicht so leicht, an die Nahtzugaben dann noch heran zu kommen, ohne alle Nähte des Kleids wieder aufmachen zu müssen.

Deswegen musste ich hier etwas kreativ werden. Um ausgefranste Nahtzugaben zu verstecken, eignet sich Schrägband besonders gut. Früher wäre es mir viel zu aufwendig gewesen, innenliegende Säume mit Schrägband einzufassen, heute hingegen mache ich das recht oft, weil es einfach edel aussieht und das Kleidungsstück auch von innen stabilisiert.

Die Taillenpasse

Bei diesem Kleid war es allerdings nicht möglich, innen alle Nahtzugaben einzufassen. Da der Stoff nicht so dick ist, hätten eingefasste Nahtzugaben in der Seiten- oder Ärmelnaht aufgetragen und sich von außen durchgedrückt. In der Taillenpasse allerdings konnte ich das machen. Die beiden Quernähte habe ich mit rotem Satinband eingefasst. Dafür habe ich sie knapp an der Seitennaht aufgeschnitten und dann von Hand wieder angenäht.

Nahtzugabe mit Schrägband versäubern

Den Ausschnitt-Beleg konnte ich rundherum mit der Overlock-Maschine versäubern. Leider hatte ich hier beim Nähen einen Fehler gemacht und der Beleg für den hinteren Ausschnitt war unter den Armen nicht mit dem für den Vorderen zusammengenäht. Beide Beleg-Teile waren wohl mal etwas zu kurz geraten – Jedenfalls haben sie auch nicht zusammen gepasst. Um die Belegteile nachträglich zu vereinen, habe ich sie zuerst an der vorgesehen Nahtkante mit Vlieseline hinterlegt und dann von dem roten Satinband darübergesteppt, um sie zu fixieren.

Die ausgefransten Seitennähte

Nahtzugabe mit Vlieseline verstärken und dann versäubernDie Seitennähte waren am schwierigsten zu versäubern. Hier hatte ich sowieso schon nicht so viel Nahtzugabe zur Verfügung. Diese war dann auch noch ausgefranst und teilweise zerfetzt von den Zickzackstichen. Meine Overlock hätte die einfach so nicht richtig greifen können. Anfangs habe ich überlegt, hier doch mit ganz dünnem Chiffon-Schrägband zu arbeiten. Dann jedoch gab mir die Verkäuferin im Stoff-Centrum hier in Neustadt – Meinem lokalen Stoffdealer – diesen tollen Tipp:

Ich habe schmale Vlieseline (Gewebeeinlage) Streifen genommen und um die offenen Kanten der Nahtzugabe gebügelt. Dadurch wurden die Kanten stabilisiert und gleichzeitig begradigt. Dann konnte ich sie mit der Overlockmaschine versäubern. Da ich die dünnste Einlage verwendet habe die es gibt, trägt die versäuberte Naht auch nach außen nicht auf.

Kleid Upcycling Schritt 3: Reißverschluss einsetzen, Saum und Gummibänder

Zum Schluss habe ich dann noch einen neuen Reißverschluss eingesetzt. Seltsamerweise hat der perfekt reingepasst, ohne dass ich die rückwärtige Mittelnaht nochmal auftrennen musste.

Danach habe ich noch den Saum wieder festgenäht, genauso wie er vorher gewesen war.

Da an einem Ärmel das Gummiband unten drin kaputt war, habe ich es direkt an beiden Armen getauscht und dem Ärmelsaum eine etwas bequemere Weite verpasst.

Empirekleid Innen vorher und Nachher

Fazit: Hat sich das gelohnt?

Das Upcyceln dieses Kleids beinhaltete viel Handarbeit und Arbeitszeit. Aber es hat mir Spaß gemacht und ich finde, auf das Ergebnis kann ich wirklich stolz sein. Es fühlt sich toll an, dass ich mein altes Kleid wieder zum Leben erwecken konnte und aus der Schrankleiche ein neues Lieblingsteil geworden ist.

Der Schnitt ist im Moment super angesagt mit dem eckigen Ausschnitt und den Puffärmeln. Im Winter kann man das Kleid super unter einem kuscheligen Cardigan tragen, es ist elegant und gleichzeitig bequem.

 

Das Kleid passt mir inzwischen wieder und es ist sogar wieder modern. Ich würde sogar behaupten, es passt mir besser als früher. Da soll nochmal einer behaupten, der Körper würde mit dem Alter nicht schöner. Auch mit der Farbe komme ich inzwischen ganz gut zurecht. Sie beißt sich zwar womöglich mit meiner Haarfarbe, steht mir aber trotzdem gut und ist immer modern.

Und weil DU bis hierhin gelesen hast, gibts ganz zum Schluss noch etwas „Altes Zeugs“. Meine liebe Freundin Kathrin hat tatsächlich noch ein Foto von 2007 ausgegraben, auf dem ich dieses Kleid trage. Es ist cool mit 32 noch in die Sachen zu passen, die man mit 19 getragen hat – Gleichzeitig bin ich auch ziemlich froh, nicht mehr 19 zu sein 🙂

Vielen Dank, dass du diesen super langen Beitrag gelesen hast. Ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Upcycling-Hacks weiterhelfen und dich Inspirieren, auch Deine UFO-Kiste mal wieder auszupacken. Dies war mein erster Beitrag rund ums Refashioning und es wird sicher nicht der Letzte gewesen sein. Auf meiner To-Sew-Liste warten auch noch ein paar andere alte Klamotten darauf, ein neues Leben zu beginnen. Schau‘ gerne immer Samstags auf meinen Blog – Da stelle ich jede Woche einen neuen Beitrag vor oder folge meiner Facebook-Community.