Fiftiesbluse selber nähen

Vom Vintage-Style zum „echten“ Vintage-Schnitt: Diese Woche habe ich mich zum ersten Mal an ein richtiges Vintage-Nähprojekt gewagt: Einen Blusenschnitt aus einem Nähmagazin von 1952. Zum Antesten erstmal aus einem Stoffrest.

Fiftiesbluse selber nähen

Nähen nach so alten Nähanleitungen ist nicht ganz trivial. Damals hatten die nähenden Hausfrauen offensichtlich viel mehr Knowhow rund ums Nähen als es die modernen Hobbyschneiderinnen heute haben. Die Anleitungen sind sehr kurz und knapp gehalten, viele Details wie das Versäubern von Kanten, das Nähen von Ecken und Kanten und das Setzen von Knipsen werden einfach vorausgesetzt und sind im Text gar nicht weiter beschrieben. Deshalb habe ich mir für den Start einen Schnitt herausgesucht, der schon im Heft mit „einfach“ beschrieben ist.

Nähanleitung aus Beyers Handarbeit und Wäsche 1952

 

Der Schnitt: Eine klassische Kimono-Bluse

Kimonobluse Fifties nähen

Der Stil der Bluse ist mal typisch Fünfziger: Tiefe Taille, um die Brust herum weit, angeschnittene Kimono-Ärmel und eine Knopfleiste vorne. Zwei Dinge sind mir am Schnitt direkt aufgefallen, die ich bislang an modernen Schnitten so noch nicht gesehen habe:

  • Abnäher, die von unten nach oben mitten in den Stoff gesetzt werden. Mein erster Gedanke war: Wie näht man die? Werden die zugenäht oder was?
  • Der Kragen ist am Besatz für die Knopfleiste mit angeschnitten und der Oberkragen wird an der hinten Mitte zusammengenäht
  • Die Größenauswahl oder sollte ich besser sagen, die „nicht vorhandene Größenauswahl“? Dieser Schnitt kam nur in einer Größe, nämlich „Oberweite 91cm“. Warum das so ist und wie man so einen Schnitt dann auf die eigene Größe anpasst, beschreibe ich ein andermal in einem seperaten Beitrag. Ich hatte das Glück, dass „91 cm“ genau meine Oberweite ist, daher habe ich den Schnitt einfach genauso abgepaust wie er war.

Das Material

Da es sich um ein erstes Testprojekt handelt, wollte ich keinen guten Stoff zerschneiden. Deswegen habe ich einen Rest von einem alten schwarzen Poylester-Crepe-Stoff verwendet, aus dem ich irgendwann mal ein Probeteil für mein Hochzeitskleid genäht hatte. Weil der Rest nicht mehr ganz gereicht hat, musste ich beim Rückenteil und dem Beleg etwas Stückeln.

Gebraucht habe ich also:

  • 1m Stoff
  • 6 Knöpfe
  • 40cm Bügeleinlage (Gewebeeinlage)

Material für meine Vintagebluse

Nähen auf der Vintage-Nähmaschine

Wenn schon retro, dann so richtig! Ich habe die komplette Bluse auf meiner alten Bernina Record 830 genäht. Einzige Ausnahme bilden die Nahtzugaben der Seitennähte innen. Die habe ich dann doch mit der Overlock versäubert. Für ein Testmodell war es mir doch zu viel Aufwand, hier mit Schrägstreifen oder französischen Nähten* anzufangen.

bernina Record 830

*Mehr über Möglichkeiten zum Versäubern von Kanten ohne die Overlockmaschine erfährst Du demnächst hier.

Die umgekehrten Abnäher

Die Abnäher werden hier tatsächlich von unten nach oben genäht. So ist die Bluse in der Taille schön schmal, passt über den Bauch und ist obenrum schön bauschig. Nun stand ich allerdings vor der Frage: Wie näht man diese Abnäher nun? Im Schnitt waren nur die Dreiecksformen der Abnäher angezeichnet, zusammen mit jeweils zwei kleinen Querstrichen oben. Was sollte das bedeuten?

Zum Glück habe ich in meinem Vintage-Kleiderfundus noch eine Originalbluse aus den Fifties entdeckt, die einen sehr ähnlichen Schnitt hat. Dort habe ich gesehen, dass die Abnäher oben zugenäht sind. Genau so habe ich dann meine Abnäher auch genäht. Da es nach etwas aussieht gehe ich davon aus, dass es wohl richtig war…

Abnäher am Retroschnitt arbeiten

Nähte, Ärmel. Unterkragen, alles klar!

Die weiteren Teile der Bluse waren schnell genäht. Seitenteile und Schulternähte kamen als nächstes dran, dann fix die Armlöcher mit Schrägband versäubert und den Unterkragen angenäht.

Fragezeichen überm Kopf: Die komische Ecke am Beleg

„Beleg anarbeiten“ , sagt die Nähanleitung. Na das ist mal ‚ne Ansage. Aber wie genau soll das jetzt funktionieren? Dass ich den Beleg mit dem Vorderteil und dem Unterkragen verstürzen musste war klar, aber was dann? Wird der dann einfach nur versäubert und umgelegt? Oder wird der innere Rand nach innen umgeschlagen? Und was ist mit der komischen Ecke am Halsausschnitt?

Das Verstürzen war ziemlich einfach. Hier wusste ich wie alles funktioniert. Zusammennähen, geschwungene Kanten einschneiden, Ecken abschneiden. Am Ende habe ich die Nahtzugabe noch mit der Zickzackschere abgeschnitten, damit sie nicht ausfranst. Sie liegt zwar innen, da der Beleg aber auf Höhe der Knopfleiste nur umgelegt und nicht festgenäht wird, wollte ich keine Fransen und Fusseln riskieren.

Beleg verstürzen und Kragen nähen

Dann ging es ans Umlegen des Belegs nach innen. Und hier bin ich hängen geblieben. Weder das Magazin, noch das Internet konnten mir da weiterhelfen. Der Ausschnitt am Beleg war eckig und der an der Bluse rund. Wie sollte das bitte nun aufeinander passen???  Am Ende habe ich den Beleg dann innen einfach umgeschlagen und die komischen Ecken auch nach innen gelegt. Ein hässlicher Workaround? Naja, von außen macht es keine Unterschied. Der Kragen liegt wie er soll und alles sitzt perfekt. Dennoch hinterlässt es ein schlechtes Gefühl bei mir, nicht zu wissen wie man diesen Beleg richtig verarbeitet…

Beleg ecken umnähen

Die eingeschlagenen Kanten habe ich dann an der Nahtzugabe des Kragens bis auf die Schulternähte von Hand per Blindstich angenäht.

Der Saum – Such‘ Dir einen aus!

Zum Säumen der Bluse gab es keine Vorgabe in der Anleitung. Dass die Bluse einen Saum braucht ist wohl so selbstverständlich, dass es nichtmal erwähnenswert ist. Ich habe den Saum also erstmal mit ausgeklapptem Beleg umgeschlagen, den Beleg dann festgesteppt und das Ganze dann gewendet, so dass ich den restlichen Saum dann zweimal 1cm einschlagen und schmal feststeppen konnte.
Je nach Material der Bluse könnte ich mir auch vorstellen, dass es schöner aussieht, den Saum zu versäubern und dann 4cm einzuschlagen und per Blindstich festzunähen.

Knopflöcher: Ich habe gecheatet!

Bei den Kopflöchern hat mich total der Mut verlassen. Nach einem ersten Probelauf auf einem Stoffrest hat es mir auf der Bernina Record dreimal den feinen Stoff in die Maschine gezogen. Und die Mühe, die Knopflöcher von Hand zu nähen, war es mir für ein Probeteil auch nicht wert.

Also gestehe ich: Hier habe ich geschummelt und die sechs Knopflöcher mit der modernen Maschine und der Knopflochautomatik genäht.

Knopflöcher mit alter und neuer Nähmaschine

 

Fazit: Mein allererstes echtes Fünfzigerjahre-Schnittmuster

Für’s erste Mal bin ich mit dem Ergebnis echt zufrieden. Die Bluse hat eine tolle Form und einen tollen Sitz. Durch den leichten Crepe-Stoff sitzt sie locker am Körper und fällt sehr schön über die Schultern.

Die Nähnanleitung aus dem Heft ist allerdings definitiv nichts für Anfänger! Mir sind da schon viele Dinge aufgefallen, die man in modernen Nähmagazinen definitiv nicht mehr findet.

Am Schnitt hatte ich ja gar nichts verändert. Offensichtlich entspricht mein Körperbau den Idealmaßen des Bayer Handarbeitsmagazins, denn von der Schulter- Brust und Taillienweite sitzt die Bluse bei mir absolut perfekt! Das ist mir mit einem Burdastyle-Schnitt noch nie passiert. Wer allerdings dieses Glück nicht hat, der hat mit diesem Schnitt erstmal eine Menge Arbeit. Wie man die Schnitte aus so alten Magazinen an die eigene Größe anpasst und was mir bei der Nähanleitung sonst noch so aufgefallen ist, kannst Du hier nachlesen.

Am Ende sind mir nur ein paar Kleinigkeiten aufgefallen, die ich bei der nächsten Bluse anders machen werde:

  • Die Weite der Bluse sitzt zwar wunderbar, allerdings liegt meine Oberkörper-Länge wohl etwas über dem Durchschnitt. Beim nächsten Mal werde ich sie 3cm verlängern und auch die Knopflöcher etwas nach unten versetzen, damit der Ausschnitt besser sitzt.
  • Die Abnäher am Rücken sitzen bei mir nicht ganz richtig. Die sollten vermutlich etwas kürzer sein. Das wäre aber vermutlich bei einer Verlängerung der Bluse ingesamt sowieso gegeben.
  • Der Schnitt ist auf einen festeren Stoff ausgelegt. Deswegen habe ich den Eindruck, dass Saum und Ausschnitt sich beim Nähen ein bisschen verzogen haben. Da ich beim nächsten Mal aber sowieso einen festeren Stoff verwenden werde, spielt das erstmal keine große Rolle.
  • Es lässt mir keine Ruhe, was es mit dieser komischen Ecke am Beleg auf sich hat. Bei der nächsten Bluse muss ich das unbedingt herausfinden!
  • Die Knopflöcher werde ich definitiv noch einmal auf meiner Retro-Nähmaschine probieren. Ich habe mit der alten Maschine schon wirklich schöne Knopflöcher genäht, mit feinen Stoffen hat sie allerdings so ihre Probleme. Bei einem festeren Stoff sollte ich das bestimmt schaffen.

Ansonsten war die Bluse insgesamt wirklich sehr einfach zu nähen, dafür dass der Schnitt echt was hermacht! Deshalb habe ich mir direkt an die nächste Bluse gemacht, dieses Mal aus einem „guten“ Stoff.
Wie es also weitergeht mit meinem Projekt „Fifties-Bluse“, erfahrt ihr im nächsten Beitrag! Und ja, der gelbe Rock ist mir am Bund zu groß geworden 🙁

Bis dahin,
Eure Lasercat

Verlinkt beim MeMadeMittwoch

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