Steifenshirt aus Jersey selber nähen

Profi-Schneider/Innen, bitte mal weglesen! Bei dem was ich hier genäht habe, rollen sich Euch die Fußnägel hoch, so viel kann ich schonmal versprechen! Aber für Euch, die trotzdem wissen wollen, wie man mit ein paar hässlichen Tricks und etwas Geduld einen total verzogenen Schrottstoff kleidsam macht, ist dieser Beitrag absolut lesenswert.

Das Schnittmuster

Ich habe mal wieder einen alten Burdastyle-Schnitt aus meinem Fundus ausgegraben. Der Schnitt für dieses Longsleeve stammt aus der Burdastyle 1/2007. Damals legte Burdastyle viel Augenmerk darauf, einfache Basics mit besonderen Details zu präsentieren, die das Selbernähen fordern und die Kleidungsstücke einzigartig machen. So auch dieses Shirt.

Es ist aus Jersey und hat eine Knopfleiste vorne, im Modell aus dem Heft sogar mit „echten“ Druckknöpfen. Nicht dass man bei diesem Ausschnitt Knöpfe zum Öffnen bräuchte, aber okay, man kann sie öffnen 😊 Das Besondere Detail sind die gesmockten Seiten neben dem vorderen Ausschnitt, die ihm eine schöne Herzform verleihen und dem Shirt das gewisse Etwas.

Ich habe dieses Shirt schon sehr lange auf meiner To-Sew-Liste und hatte es mir für meine Herbst Capsule-Wardrobe schon so schön aufgemalt.

Achtung, dieses Schnittmuster hat einen kleinen Fehler: Der Einfassstreifen für den Halsausschnitt ist auf dem Zuschneideplan falsch eingezeichnet. Der Fadenlauf sollte eigentlich um 90 Grad gedreht verlaufen. Ich dachte erst das wäre Absicht und hab es erst gemerkt, als ich ihn schon zugeschnitten hatte.

Das Material: Denkbar schlechteste Voraussetzungen

Ich gestehe: Nicht alle meine Kaufentscheidungen sind gut, wenn es um Nähzubehör geht. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und beschränke mich nicht auf bestimmte Shops oder Marken. Ich teste gerne neue Quellen und Händler für Nähzubehör und mache dabei vor fast gar nichts halt. So kam es, dass ich eines Tages entdeckte, dass man bei AliExpress auch Stoffe direkt beim Hersteller (in China) bestellen kann. Das musste ich doch direkt mal ausprobieren!

Ihr könnt mir nun einen Vortrag über nachhaltige Materialien ökologischen Fußabdruck und dokumentierte Herstellung halten. Bitte sehr, ich höre zu. 😊

Auch wenn es spannend klingt, ist das Ordern von Stoffen über AliExpress beim „Hersteller“ nicht zu empfehlen. Die Stoffe sind megagünstig, doch wer schonmal bei Ali bestellt hat weiß, dass man nur selten das bekommt, was man sich erhofft hat. Meistens kommt die Ware von einem Zwischenhändler und es ist die abgespeckte Billig-Variante von dem China-Schrott, den man hier im Laden kaufen kann. Genau das ist hier passiert.

Bestellt habe ich: 1m gestreiften Jersey. Angeblich Baumwolle, das Bild sah passabel aus

Bekommen habe ich: 1m gestreiften, sehr lockeren, dünnen Stoff mit einer gewissen Used-Optik. Ob diese beabsichtigt war, kann ich nicht sagen. Nach der ersten Wäsche waren es nur noch 0,7m und der Stoff war komplett verzogen

Nach dem Waschen verbuchte ich diesen Kauf erstmal als „Erfahrung“ und legte den verzogenen Stoff in den Schrank. Wegwerfen wollte ich ihn nämlich auch nicht. Das wäre ja noch schlimmer gewesen fürs ökologische Gewissen.

Wie man aus einem verzogenen Stoff noch etwas nähen kann

Du fragst Dich jetzt sicher, warum ich auf die Idee gekommen bin, aus dem verzogenen Schrotstoff ein Basic-Teil für den Alltag zu nähen.

Das Ganze entstand durch meine grundlegende Skepsis gegenüber Burda-Schnitten. Ich wollte mir für den Herbst unbedingt ein Ringelshirt nähen. Mein geringeltes Stillshirt, das ich 2019 genäht habe, hat inzwischen schon lange ausgedient. Schon in meiner Skizze hatte ich mir diesen Schnitt mit Ringelstoff ausgemalt. Als ich den Schnitt dann in Größe 38 abgepaust hatte, stand ich – wie so oft – vor der Frage: Passt mir das überhaupt?

Bei Webware bin ich inzwischen recht gut im Ausmessen und Anpassen von Schnitten vor dem Zuschnitt, bei Jerseys tu ich mir aber noch immer schwer. Das Teil soll ja eng sitzen, aber eben nicht zu eng, daher finde ich es schwer, die richtige Weite im Schulter- Brust und Armbereich zu finden. Daher tat ich, was ich in diesem Fall immer tue: Ich machte ein Probeteil.

Als ich meinen Stoffschrank öffnete, auf der Suche nach einem Stoffrest, fiel mir mein Ali-Fehlkauf wieder in die Hände. Ich beschloss, herauszufinden ob sich daraus noch etwas machen lässt.

Der Zuschnitt auf verzogenem Stoff

Ein Oberteil aus einem insich verzogenen Stoff zuzuschneiden, ist gar nicht so einfach. Vor allem wenn man ein Streifenmuster an den Armen und Seitenteilen matchen möchte 😊 Und so habe ich es gemacht:

  • Den Stoff vor dem Zuschnitt gut bügeln und dann in Fadenlaufrichtung aufhängen und ein wenig schütteln. So ging schonmal ein bisschen von dem verzogenen Teil zurück
  • Beim Zuschneiden ein Leintuch unterlegen und den Stoff darauf stecken. Eigentlich mein Trick für krabbelige Stoffe, funktionierte aber auch hier ganz gut
  • Darauf achten, dass der Stoff sich in die richtige Richtung dehnt und dafür auch mal ein paar Millimeter vom ursprünglichen Fadenlauf abweichen
  • Um die Streifen einzuhalten, habe ich mir Markierungen für die Streifen am Schnitt gemacht und den Stoff eben mit dem Sreifen genau dort festgesteckt.

Verzogenen Jersey nähen – Tipps oder hässliche Workarounds?

Bevor ich die Teile zusammengenäht habe, verstärkte ich alles was ging mit Bügeleinlage: Die Schulternähte, die Armlöcher, natürlich wie vorgesehen auch die Knopfleiste vorne. So wollte ich einem weiteren Ausleihern des Stoffs entgegen wirken.

Genäht habe ich fast alle Nähte mit 2,5 Geradstich, lediglich die Ärmelnähte habe ich mit einem flachen Zickzackstich genäht.

Der Saum

Da der Stoff so leicht und dünn ist, erschien mir ein Säumen mit der Zwillingsnadel nicht sinnvoll. Um den leichten Stoff nicht noch zusätzlich zu beschweren, habe ich an Ärmeln und Saum auf das Versäubern mit der Overlock verzichtet. Ich habe den Saum einfach eingeschlagen, mit einem flachen Zickzackstich festgenäht und die Nahtzugabe innen dann abgeschnitten.

Die Knopfleiste

Ich habe die Knopfleiste zwar so wie in der Anleitung genäht, am Ende aber doch auf „echte“ Knöpfe verzichtet. Statt dessen habe ich mit den drei Knöpfen auch gleich die Knopfleiste mit zugenäht.

Fazit

Als mein fertiges Probeteil anprobierte, war ich selbst erstaunt von dem Ergebnis. Das Rückenteil ist minimal zu weit und auch die Schultern und Armlöcher werde ich fürs nächste Mal etwas schmaler machen. Doch insgesamt passt der Schnitt passabel.

Der leichte Stoff fühlt sich erstaunlich gut auf der Haut an. Sicher, es ist nicht der schönste Stoff, aber der Used-Look sieht gewollt aus und es trägt sich sehr angenehm. Auch nach einigen Tagen des Tragens hat der Stoff sich dank meiner Bügeleinlage am Oberteil nicht weiter verzogen.

Die Ärmel hingegen sind ziemlich gedehnt und auseinander gegangen. Außerdem wurden sie irgendwie immer länger. Hier hat der Stoff einfach nachgegeben. Ich find’s aber nicht so schlimm. Für den legeren Freizeitlook ist das Shirt absolut in Ordnung, ich trage es jedenfalls gerne. Ob ich lange Freude daran haben werde, kann ich allerdings nicht sagen. Das Shirt wird jedenfalls ausschließlich bei 30 Grad im Wäschebeutel gewaschen, mal sehen wie es nach ein paar Monaten aussieht – Ich werde berichten.

Und die Moral von der Geschicht? Auch aus minderwertigen Materialien lässt sich mit etwas Mühe noch etwas Gutes produzieren.

Grundsätzlich sollte man beim Stoffkauf schon auf die Qualität achten. Die ist nicht immer über den Preis definiert. Auch ein billiger Stoff kann gut verarbeitet sein. Am besten lässt sie sich nur durch Anfassen herausfinden. Daher ist mein Tipp für billiges Nähmaterial immer noch der Holland Stoffmarkt, der diesen Herbst übrigens wieder stattfindet (Yay 😊 )

Während ich diese Zeilen schreibe, träume ich schon wieder vom nächsten Stoffkaufrausch

Viele Grüße
Eure Lasercat

Verlinkt bei „DufürDich am Donnerstag“ und Pennjas Blog

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